Matthias Jung


 

FeedWind

Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Traube und Riesen (Numeri 13/14)

Predigtreihe Wüstenwanderung am 6. April 2014

Israel hat die Wüste durchquert.
Das Schilfmeer liegt schon weit hinter ihnen.
Die Schufterei in Ägypten ist längst verblasst.
Mose und die Wolkensäule gingen voran.
Nachts gab die Feuersäule Trost und Licht.
Morgens waren sie versorgt mit Manna und Wachteln.
Und dann kam sie in Blick, die Grenze des gelobten Landes.
Das Ziel ihrer Träume.
Ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Dorthin will ich euch führen, hatte Gott ihnen versprochen.
Nun sind sie da.
Fast.

Mose schickt Kundschafter aus.
Ist es wahr, was Gott versprochen hat?
Fließen da Milch und Honig, hängen reife Trauben an den Hängen?
Und wer wohnt da?
Kampflos bekommen wir das Land nicht, das hat Gott nie versprochen.
Also, schaut euch um und berichtet.
Sie ziehen los und das Volk wartet.
Vierzig Tage und vierzig Nächte.

Dann kommen sie zurück.
Sehnsüchtig erwartet.
Und was sehen die Wartenden?
Alle sind sie zurück, wohlbehalten.
Und eine riesige Traube haben sie dabei, so groß wie ein Mensch.
Sie berichten:
Ja, es ist wahr, was Gott versprochen hat.
Ein Land wie ein Traum.
Früchte satt, voll und süß.
Es trieft vor Milch und Honig.
So haben wir uns das vorgestellt.
Doch nein, es ist noch viel toller als erhofft.
Freude und Jubel auf den Gesichtern der Frauen und Männer.
Begeisterung bei den Kindern, Tränen in den Augen der Alten.

Und das Volk, das da wohnt, ruft einer.
Die Kundschafter berichten:
Das Volk ist stark.
Ihre Städte sind groß, die Mauern hoch und fest.
Ihre Soldaten sehen aus wie Riesen.
Das wird kein Spaziergang.
Auf die eben noch verzückten Gesichter fällt ein Schatten.
Kaleb sieht es und sagt:
Doch, wir können sie besiegen.
Ja, wir können das Land in Besitz nehmen.
Nein, es wird kein Spaziergang.
Aber Gott führt uns nicht hierher und lässt uns vor der Schwelle sterben.
Vertrauen wir auf ihn und unsere Stärke, so wird es gelingen.

Doch es ist schon zu spät.
Die Stimmung ist umgeschlagen.
Zweifel breitet sich aus.
Und die anderen Kundschafter lassen sich davon anstecken:
Das schaffen wir nicht.
Das Land frisst, die ihn ihm wohnen.
Und die Männer dort, das sind Riesen und wir fühlten uns klein.

Angst und Verzweiflung laufen durch die Reihen.
Und sie wünschen sich zurück nach Ägypten.
In die Sklaverei.
Lieber schuften als sterben.
Was ist das für ein Gott?
Erst befreit er uns und dann lässt er uns hier über die Klinge springen?!
Hoffnung und Zuversicht sind geschwunden.
Kein Blick mehr gilt der vollen, reifen Traube.
Riesen stehen vor ihren Augen, turmhoch und schwerbewaffnet.

Wir kennen das, oder?
Ich fühle mich stark, es geht voran.
Selbstbewusst trete ich auf.
Bin ganz sicher in dem, was ich tue.
Jeder Handgriff sitzt.
Die Gedanken fließen.
Eins folgt spielend leicht dem anderen.
Nichts kann mich aufhalten.

Und dann kommt ein Wort.
Oder eine Geste.
Manchmal auch nur ein Blick.
Und ich falle in mir zusammen.
Bin mitten ins Herz getroffen.
Mein Selbstvertrauen löst sich in Luft auf.
Von einem Moment zum anderen.
Keine Kraft mehr ist in meinen Händen.
Nur noch Leere im Kopf.
Meine Knie zittern.
Aus Selbstbewusstsein wird ein Häufchen Elend.
Aus unerschütterlichem Vertrauen pure Angst.
Es trifft mich mitten ins Herz.
Weckt meine tiefsten Ängste.
Angst vor Schuld, vor Versagen.
Vor Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein.
Oder was auch immer.
Verkriechen will ich mich, ins nächste Mauseloch.
Weg will ich, nur weg.
Kann sich nicht der Erdboden öffnen und mich verschlucken?

So weit verstehe ich die Geschichte gut.
Sie ist menschlich, sehr menschlich.
Aber Gott verstehe ich nicht.
Viel zu menschlich erscheint er mir.
Genervt.
Verärgert.
Nachtragend.
Das Volk muss gestraft werden.
Es darf nicht hinein ins gelobte Land,
Erst ihre Kinder.
40 Jahre müssen sie hier umherirren.
40 Jahre ...
Ein Jahr für jeden Tag, den die Kundschafter unterwegs waren.
Ein Jahr für jeden Tag, den die Frauen und Männer Israels gewartet haben.
Und gehofft.
Dann gezweifelt und in Angst erstarrt.
Riesen, wer will es ihnen verdenken.
Eine harte Strafe.
Viel zu hart.
Finde ich.
Ich verstehe diesen Gott nicht.
Er lässt viele Fragen offen.
Warum?
Warum solch eine Strafe?
Warum bist du so enttäuscht, Gott?
Wo bleibt das Evangelium?

Wen Gott liebt, der züchtigt er.
Ein Satz, bei dem es mir kalt den Rücken herunterläuft.
Ein Satz aus früherer Pädagogik.
Warum fällt er mir jetzt ein?
Kinder müssen es lernen, die Folgen ihres Verhaltens zu tragen.
So lautet ein gängiger Satz häutiger Pädagogik.
Israel hat sein Vertrauen weggeworfen, warum auch immer.
Es ist menschlich, wie die Frauen und Männer empfinden und handeln.
Und Gott verfügt dennoch, dass sie die Konsequenzen tragen müssen.
Zu hart?
Wo bleibt die Vergebung, die Chance zur Umkehr?
Die Gegenrede Gottes lautet:
Eigentlich wollte ich euch mit dem Tod bestrafen.
Dankt Mose und seid froh, dass ich euch immerhin am Leben lasse!
Tragt die Folgen eures Verhaltens, es gibt keine billige Gnade.

Eine harte Geschichte, eine harte Wahrheit.
Gott, der Gott Israels, der Gott Jesu ist nicht der liebe Gott.
Sondern der liebende Gott.
Nicht ein Gott, der alle Wünsche erfüllt.
Über alles hinwegsieht.
Ja, er vergibt alles.
Aber macht nicht alles ungeschehen.
Die Folgen sind von uns zu tragen.
Von Israel damals und von uns heute.
Daher:
Eine Geschichte für die Passionszeit.
Passend.
Gott vergibt, o ja.
Aber grade stehen für unseren Unglauben, unsere Zweifel müssen wir schon.
Israel wanderte 40 Jahre durch de Wüste.

Und dennoch:
Hart, viel zu hart erscheint mir Gott hier an der Grenze.
Einmal gezweifelt und 40 Jahre Strafe?

Ich verstehe dich nicht, Gott.
Höre meine Frage.

Amen.